Samstag, 31. August 2013

98. PARU-TOVIAN






Das war Villa Gesell im Jahr 1960. Unser Häuschen hatten wir zu Silvester 1958  eingeweiht, obwohl noch die große Scheibe des Wohnzimmers fehlte, denn damals mussten  die meisten Bauteile aus Buenos-Aires gebracht werden.  Die erste Scheibe war zu klein geschnitten worden, die zweite zerbrach während des Transportes und die dritte, die Mitte Januar ankam, hatte eine  Luftblase mitten im Glas, aber sie passte und wir behielten sie. Sie hat dann auch bis heute gehalten.

Ein Handwerker im Dorf hatte uns ein schönes Namensschild geschnitzt, und es prangte im Garten vor dem Haus mitten in „uña de gato“, einem Fettgewächs, was im Sand gedieh, denn an Gras war noch nicht zu denken. 

Der Name „PARU-TOVIAN“  gab den Vorbeikommenden Anlass zu den wildesten Spekulationen, wir hörten sie teilweise, was das wohl bedeuten könnte. Die einen meinten, es sei ein Indio-Häuptling gewesen, andere glaubten, das müsse etwas mit Mythologie zu tun haben. Dabei war die Lösung des Rätsels viel einfacher. Es waren die Silben unserer Vornamen, PARU für Paul und Ruth, TOVIAN für Thomas, Vicky, Andreas.

Der Garten sah noch recht kahl und dürftig aus. Zwei kleine Kiefern  kämpften ums Überleben, die später so großen Eichen waren noch winzige Ableger, die an einem windgeschützten Plätzchen zusammen standen und erst einmal Wurzeln treiben sollten. Dazu waren sie von Schwager Fritz in einen Klumpen schwarze Erde gesetzt und mit Teerpappe umwickelt worden. Dieses Verfahren hatte auch Don Carlos bei der Aufforstung mit gutem Erfolg benutzt.  Dabei löste sich die Teerpappe nach und nach im Boden auf und die kleine Pflanze hatte dann bereits genügend Kraft und Wurzeln, um in dem sandigen Boden weiter gedeihen zu können. 

Ich habe alle Bäumchen und Büsche bestens betreut und bin hinter so manchem Pferd hergelaufen, um die Pferdeäpfel  für meinen Garten zu sammeln, die mit Wasser vermischt ein fabelhafter Dünger waren und die Pflanzen auch für die strengen Winter warm und geschützt hielten. Unsere Straße 308 führte 200m weit in direkter Linie zum Strand, und sie  war gesäumt von großen Akazienbüschen, die im August so herrlich leuchtend gelb blühten. 

Unserem Häuschen gegenüber, also auf der anderen Straßenseite, dehnten sich die Dünen und Sandflächen nach Norden, denn damals hieß es, dass die Urbanisierung und Aufforstung hier aufhören sollten. Villa Gesell war hier zu Ende, so wurde behauptet. Für alle Kinder ein ideales Spielfeld, wo man auch immer wieder Muscheln jedweder Größe fand und sich auch so gut zwischen den Dünen verstecken konnte. 

Wir hatten einen direkten Nachbarn, der im gleichen Jahr wie wir gebaut hatte, auf dem Strand selbst war zwei Jahre zuvor ein großes Chalet  errichtet worden, dessen Vorderfront jedes Jahr nach den Winterstürmen aus den Wanderdünen frei geschaufelt werden musste, und ein kleines Häuschen  stand auch bereits  mitten im Sand. Das war aber auch alles. 

Es war die Zeit, wo man ohne alles zu verriegeln und verrammeln an den Strand ging, in Ruhe badete, im Schatten  eines Tamarindenbusches faul und träge im Sand lag und den lieben Gott unbesorgt einen guten Mann sein ließ.

Ein Bauer kam mit seinem Pferdekarren regelmäßig aus Madariaga oder Juancho und versorgte uns mit frischem Obst und Gemüse, ein anderer Pferdekarren brachte in einem kleinen Brennstofftank das zum Heizen und Kochen benötigte Kerosin, und das war immer ein besonderer Tag für die Kinder, denn sie durften auf dem Tank sitzend eine Strecke mitfahren und amüsierten sich königlich dabei. 

Es waren wunderschöne Ferien, die wir dort Jahr für Jahr, im Sommer wie im Winter, verbrachten. Und als  sich zu den Kindern die Enkelkinder gesellten, kamen die wiederum mit großer Begeisterung nach Villa Gesell. Auch sie verlebten eine noch unbeschwerte Zeit, obwohl sich der Ort im Laufe der Jahre bereits  sehr vergrößert und verändert hatte.
Aber alle hingen doch sehr an PARU-TOVIAN  und waren traurig, als wir unser Häuschen 2001 verkauft haben.


Ruth H..        
Kindertreffen in PARU-TOVIAN

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